über die Götter und deren Gegenspieler

Die Götter

Einst gab es nur das Reich der fünf Götter, genannt das Ewige Reich. Dies war ein Ort, der vom Wille der Götter geformt wurde. Jedes Detail – vom höchsten Berg bis zum tiefsten Tal, vom Sonnenaufgang bis zu den sagenumwobenen Drei Monden des Ewigen Reiches, bestimmte der mächtige Wille der Götter zu jedem Zeitpunkt die Essenz und Bedeutung der Existenz.
Götter, wie die Sterblichen, die sie schufen, sind nicht frei von Fehl. Und so entschieden sie auf dem Gipfel des Geheimen Berges, eine neue Welt zu schaffen – die Sphäre der Sterblichen. Sie sollte dem Ewigen Reich gleichen, doch bewohnt sein von Wesen, die einen eigenen, freien Willen hatten – wie die Götter selbst. Diese neuen Wesen sollten selbst alle Entscheidungen treffen, die ihr Leben beeinflussen. Glaube und Taten im Sinne der Götter würden belohnt werden; Vergehen sollten die Sterblichen selber als falsch erkennen und, wenn es ihr Wunsch ist, bestrafen.
Den Hauch des Lebens und des freien Willens zu erschaffen hieß für die Götter jedoch auch, einen Teil ihrer unbegrenzten Macht zu opfern. Dies taten sie gemeinsam, und versahen jedes Lebewesen in dieser neuen Sphäre mit dem Potential, Gutes oder Schlechtes zu tun, oder keines von Beidem. So schufen die Götter die Sterblichen in den Tiefen Hallen von Ormys, und opferten dabei einen Teil ihrer Macht. Als die Sphäre der Sterblichen innerhalb eines Augenblickes entstand, sah Ryger, sanftester der Fünf und den Sterblichen väterlich wohlgesonnen, dass hinter dem Horizont des Ewigen Reiches und des Reiches der Sterblichen etwas lag. Etwas, das den Gott mit Leere und Unverständnis füllte. Etwas so schreckliches, das nicht existieren darf, nicht einmal in den Gedanken eines Alptraumes – der sanfte Ryger verging an diesem Anblick, der nicht mehr als ein Augenblick war. Die anderen Götter konnten sich nicht erklären, was geschah. Erst später stellte sich heraus – so fand es der weise Mantrius heraus, als er seine Kugel des allumfassenden Wissens aller Zeiten und Richtungen las, die er danach zerschmetterte, indem er sie gegen einen der Drei Monde (da die Götter einen Mond den Sterblichen schenkten, blieb ihnen selber nur noch einer – der zerstörte Mond wird seither der „verlorene Mond“ genannt) schleuderte – dass die Götter zwei Sphären erschufen: Die der Sterblichen, und eine ihnen unerklärliche, unbekannte Leere, die sie nur die Große Leere nannten.

Zarastro
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Herr des Lichtes, Der Gerechte Richter, Meister der Götter, Krieger der Sonne, Hüter der Sterblichen
Zarastro ist das weise Oberhaupt der Götter. Er verkörpert die Ordnung aller Sphären und gilt als der weiseste aller Herrscher. Seine Domäne ist das Licht (denn er schuf das Antlitz der Sonne) und die Gerechtigkeit, mit der er alle Sterblichen gleichermaßen bedenkt. Um Gerechtigkeit durchzusetzen, stehen ihm die Aspekte Herrschaft, Kampf, Mut, Ehrenhaftigkeit und Loyalität zur Seite. „Der Richter“, wie er im Volksmund häufig genannt wird, schuf alle Gesetze, denen die Sterblichen folgen müssen – wie jedes Gesetz, ist die Anwendung seiner Botschaften Auslegungssache.
Zarastro ist der Herrscher, und ein jeder Herrscher muss über viele Herrschen. Und so sind seine Aspekte auch gleichzeitig diejenigen der Knechtschaft, der Unterdrückung, der adeligen Stände und der Willkür der Herrscher. Sein Symbol, die aufgehende Sonne (seltener die Waage, die sich immer im Gleichgewicht befindet), ziert prächtige Banner ebenso wie die Eingänge der tiefsten Kerker, und seine Gerechtigkeit lässt kein Abweichen zu. Daneben sind Herrschaftsinsignien wie das Schwert oder edle Wappentiere Ausdruck von Zarastros Herrschaft.
Zarastros Jahreszeit ist der Sommer, an dem das Leben seinen Höhepunkt hat, oder auch vor Hitze in Flammen vergeht.

Mantrius
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Der Allwissende, Das Sehende Auge, Buchhalter der Götter, Das Endlose Manuskript, Geber aller Reichtümer
Mantrius machte den Sterblichen zwei mächtige Geschenke – die Gabe der Magie und die des Goldes. Seine Aspekte sind Weisheit, Kunst, Ästhetik und Handel. Er zeichnet alles Geschehene in seinem Endlosen Manuskript auf, und es wird angenommen, dass auch bereits die Zukunft auf diesen göttlichen Seiten verewigt ist.
Mantrius brachte den Sterblichen die Macht der Magie, die einige Auserwählte mit besonderen Gaben ausstattete. Die Gefährlichkeit der Magie bewies jedoch in der Vergangenheit häufig, dass dieses Geschenk mit großer Vorsicht – oder besser, Weisheit – zu behandeln ist.
Auch den Alltag eines jeden Sterblichen prägte der weise Gott, indem er das Geschenk des Goldes in die Erde legte. Auch alle anderen besonderen unbelebten Materialien legte er in die Hände der Sterblichen. Diese schufen Kunstwerke von überirdischer Schönheit, doch gleichzeitig wurden sie von Ruhmessucht, Überheblichkeit und der Gier nach Reichtümern übermannt. Daher ist sein Symbol im gemeinen Volk die zweiseitige Münze, bisweilen auch das Beobachtende Auge. In den Kreisen der Magier ist sein Symbol ein Buch.
Mantrius’ Jahreszeit ist der Herbst, wenn die Ernte eingefahren ist und das Volk sich den Studien widmen kann – auch die Saison der Steuereintreiber und Frondienste.

Morana
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Die Gestrenge Mutter, Herrin der Kräuter, Göttin der Heilung und der Krankheit, Bewahrerin des Gleichgewichts, Schwiegermutter Winter
Morana ist die Göttin der Natur, der Heilkunst, des sicheren Reisens – aber auch des Todes und der Krankheit. Ihr Aspekt ist das natürliche Gleichgewicht – ein Naturgesetz, das den Starken und Schlauen überdauern lässt, während der Schwache zugrunde gehen muss. Ihre Gesetzmäßigkeiten stehen – im Gegensatz zu denen Zarastros – nicht zur Debatte und lassen keinerlei Interpretation zu. Alle Naturereignisse, Pflanzen und auch Tiere schuf Morana, um mit ihrer mütterlichen Weisheit ein Gleichgewicht zwischen Leben und Tod herzustellen. Die Künste der Totenbeschwörung widersprechen augenscheinlich den Gesetzen Moranas, doch die Beherrschung oder Überwindung des körperlichen Todes ist ebenso Teil ihrer Naturgesetze. Sie gilt als die Schwester Mantrius’ und ist daher ebenfalls mit einigen Wegen der Magie betraut, die sich speziell auf die Nutzung der Natur beziehen, wie beispielsweise die geheime Kunst der Alchymie und auch der Heilkunst. Hebammen und Totengräber gleichzeitig huldigen ihrer Weisheit; wohlweislich, dass jedes Lebewesen sich früher oder später ihren Gesetzen beugen muss – oder stark genug ist, unter ihnen weiter zu existieren. Während ihr Bruder die festen und unbelebten Stoffe in die Sphäre der Sterblichen einbrachte, hauchte sie allem pflanzlichen und tierischen Leben ein und erschuf auch das Wasser, das so wandelbar und wankelmütig wie Morana selbst ist. Ihre Symbole sind zahlreich und in der Interpretation sehr unterschiedlich. Häufig handelt es sich um naturnahe Abbildungen wie Bäume oder Blätter, aber auch Wellen- oder Wassersymbole sowie Zeichen der heilenden Künste.
Moranas Jahreszeit ist der Winter, der die Natur auf das kommende Jahr vorbereitet und alle Sterblichen ruhen lässt. Der Winter ist jedoch auch die tödlichste Saison, und ihre Eisstürme vermögen ganze Landstriche zu entvölkern.

Adelá
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Die Schöne, Die Lustvolle, Gespielin der Götter, Patronin der Familien, Die Große Erneuerin
Adelá ist die Göttin (wobei „sie“ ebenso häufig als maskuliner Gott verstanden wird) der Erneuerung, der Liebe und des Mitgefühls, des Fortschrittes, des Wachsens und der Freiheit. Sie wird, je nach Geschmack, als reizvolle Dame oder stattlicher Recke interpretiert und vereint Fröhlichkeit, Genuss, Gastfreundschaft, Musik, Tanz und andere freudvolle Aktivitäten in ihrer Domäne. Leicht und fröhlich tanzt Adelá durch das Leben und erfreut sich an allem und jedem. Die lustvollen Ausschweifungen beinhalten jedoch auch Alkohol und andere Substanzen sowie sexuelle Aktivität, was gerade in ländlichen Gegenden problematisch werden kann, da Familienbande und Erbfolgen wichtige Bestandteile und Grundpfeiler der Gesellschaft sind. Als in der Weltenschmiede in den Tiefen Hallen von Ormys die Sphäre der Sterblichen erschaffen wurde, hauchte sie allen Lebewesen Emotionen, Farben, Laute, Klänge und Gerüche ein – eine Einladung, das Leben mit allen Sinnen höchstmöglich zu genießen. Dass hierbei auch Unvernunft oder gar Gefahren auftreten können, ist der unverbindlichen Art Adelás zu verdanken.
Ihr Symbol ist traditionellerweise die Kornähre, reif und köstlich. Häufig anzutreffen sind auch Flickmuster aus bunten Farben. In einigen Gegenden ist es durchaus üblich, nackte Geschlechtsteile als Adelás Symbol zu verwenden. Vor allem in den Städten ist ein Trinkhorn oder eine Weinrebe gängiges Zeichen für die Segnungen der genussvollen Göttin.
Adelás Jahreszeit ist der Frühling, in dem alles aufblüht und zur Feier einlädt. Dieselbe Jahreszeit, die den Winter und harte Zeiten leicht in Vergessenheit geraten lässt und die erste Aussaat besonders anstrengend erscheinen lässt.

… und ihre Gegenspieler

Die Gegenspieler der vier Götter sind die vier Dämonenfürsten, auch als Dämonenkönige bekannt. Sie entstanden den Sagen nach aus der Großen Leere, einem mythischen Bereich der Existenz, an dem keine der Gesetze und Mächte, die den Sterblichen und sogar den Göttern selber bekannt sind, gelten. Niemals vermochte es ein Wesen, in diese Domäne der finsteren, ewigen und wahnsinnigen Leere vorzudringen.
Über das genaue Wesen der Dämonenkönige ist nichts bekannt. Kein Sterblicher oder Gott – soweit bekannt – hatte direkten Kontakt zu ihnen. Da ihre Natur dem unfassbaren Chaos der Großen Leere entspringt, sind ihre Motive oder Pläne nicht in den bekannten irdischen Konzepten fassbar. Es gibt zahlreiche magische und klerikale Theorien über die Beschaffenheit dieser ungreifbaren Entitäten. Einig sind sich die Gelehrten nur darüber, dass, welche Pläne auch immer von ihnen verfolgt werden, diese sich gegen die Götter und die Sterblichen richten – in einem Ausmaß, das den Tod als Nebensache erscheinen lässt. Vielmehr handele es sich, so sagen die studiertesten Arkanologen und Kleriker, um die absolute Vernichtung des Selbst und Seins.

Arûzûk
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Königin der Dämonen, Meisterin der Finsternis, Herrin des Wahnsinns, Bringerin der Großen Leere, Fluch allen Seins
Arûzûk, was in der Alten Sprache mit „Das Nichts in der Hülle der Finsternis“ übersetzt werden kann, ist die Königin der vier Dämonen – wenn solche menschlichen Konzepte auf die Ausgeburten der Großen Leere überhaupt zutreffen. Am Anfang der Zeiten gebar sie die drei übrigen Ausgeburten der Großen Leere in einem Akt schandhafter Selbstbefleckung. Ihre Domäne ist die Leere selbst, eine Versinnbildlichung der absoluten Vernichtung. Selten manifestiert sich ihr Aspekt selber; vielmehr handelt sie durch ihre grausame Brut. Arûzûk ist zurückhaltend und subtil, dabei planend, vorausschauend und im höchstem Maße widerwärtig.

Naglôsch
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Der Erstgeborene, Geißel der Götter, Unhold der Nacht, General der Letzten Armee, Der Schwarze Brecher
Eine mögliche Übersetzung des Wortes Naglôsch lautet „der aus dem schrecklichen Riss gekrochene“. Als der Erstgeborene unter den Kindern der Arûzûk nimmt er die zweitwichtigste Rolle ein. Seine Domäne ist die Gewalt, Vernichtung, Schändung, Unterdrückung und der Schmerz. Roh, grausam und impulsiv, hat er als Feinde vor allem die Götter (und ihre Gesandten und Gesegneten) auserkoren. Er führt die Letzte Armee, eine dämonische Streitmacht, die er aus der Großen Leere erschuf und alten Schriften zufolge eine Stärke in unendlich großer Zahl darstellt.


Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Die Zweitgeborene, Eiterherrin, Meisterin des Schmerzes, Quell der Krankheit, Schänderin
Zü, was als „Seuche“ übersetzt werden kann, ist die Zweitgeborene Arûzûks. Es heißt, sie liebt es, langsames Leid zu verursachen und Siechtum heraufzubeschwören. Sie ist vernarrt in die Welt der Sterblichen und beglückt sie regelmäßig mit Seuchen, Hungersnöten und Naturkatastrophen. Zü vereint die Unbarmherzigkeit ihrer Mutter mit dem Hang zum Sadismus ihres großen Bruders Naglôsch, der – so wird in den Dridoreanischen Mythen angedeutet – auch ihr Liebhaber ist.

Menarôk Xaltzô Nimiriparas Hragezinatas Uszarapem (oft als „Menarôk“ abgekürzt)
Auch bekannt unter den Bezeichnungen: Der Letztgeborene, Zeitenverschlinger, Ausgeburt der Kälte, Wanderer der Sphären, Vorhut der Vernichtung
Menarôk Xaltzô Nimiriparas Hragezinatas Uszarapem lautet der volle Name des dritten Kindes Arûzûks. Schriften und Gelehrte sind uneins über den Charakter dieses Geschöpfs – zumal nicht einmal mit Sicherheit feststeht, welchem Geschlecht es zuzuordnen ist. So wird Menarôk, wie der Name üblicherweise abgekürzt wird, als geschlechtlos bezeichnet. Der lange Name rührt von einer uralten Bannformel gegen seinen Einfluss her, der in der Alten Sprache verbreitet war. Seine Wurzeln jedoch liegen in den Worten „Menarôk“ und „Uszarapem“, die in diesem Zusammenhang üblicherweise als „Stillstand aller Zeiten“ übersetzt werden. Er ist Gegenspieler der Sterblichen und der Unsterblichen gleichermaßen. Von ihm wird gesagt, dass er der Wegbereiter der Letzten Armee ist und deren Vorhut anführt. Einigen kryptischen Aufzeichnungen zufolge ist es ihm als einziges Wesen (falls es überhaupt ein Wesen ist – seine Existenz gilt vielen als reine Symbolik) möglich, in direktem Kontakt mit den Sphären der Sterblichen und der Götter zu stehen. Jedweder Einfluss der Dämonenkönige außerhalb der Großen Leere wird über ihn ausgeübt.
Sein Wesen ist unfassbar und ungreifbar. Sein Mittel der Wahl ist die Zeit, unter deren Einfluss besonders die Sterblichen leiden. Die Gelehrten glauben, dass Menarôk zum Ziel hat, die Zeit zum Stillstand zu bringen oder völlig abzuschaffen. Dies soll, gemäß des verbotenen Folianten „Über das Wesen der Großen Leere“, die Sphäre der Sterblichen mit jener der Dämonenwesen eins werden lassen – ein unvorstellbares, grausames und unaussprechliches Chaos, das so schwarz wäre, dass nicht einmal die Essenz reiner Bösartigkeit darin überleben könnte.